Was ist das Lab?

Das Folkwang LAB „Freies interdisziplinäres Arbeit im gesellschaftlichen, politischen Zusammenhang“ ist das erste studentische LAB an der Folkwang Universität. D.h. es ist das erste interdisziplinäre Großprojekt, dass von Studenten selbst organisiert wird, und in welchem Studenten vollkommen selbst für die Forschungsinhalte verantwortlich sind.

Die Idee für eine Plattform, auf welcher Studierende unterschiedlicher Disziplinen frei zu einem eigenen Thema arbeiten können, beschäftigte mich seit eines Aufenthalts in Montepulciano mit dem Kolleg für Musik und Kunst 2010. Diese Einrichtung bringt Studierende aus unterschiedlichen Kunsthochschulen zusammen und ermöglicht das spontane, gemeinsame Arbeiten. Genau diese Idee repräsentiert für mich im höchsten Maße den Folkwanggedanken und in meiner Funktion als AStA-Vorsitzender wollte ich diese Erfahrung einer freien (und befreienden) interdisziplinären Zusammenarbeit auch meinen Kommilitonen ermöglichen.

Die Folkwang Universität der Künste bietet ihren Studierenden zwar ein breitgefächertes Angebot, jedoch kommen interdisziplinäre Eigeninitiativen seitens der Studierenden seltener vor als gewünscht. Das universitätseigene LAB-Programm als Unterstützer solcher Arbeiten ist wenig bekannt und volle Studienpläne sowie die Schwierigkeit, Stundenplanungen verschiedener Studienrichtungen zusammenzubringen, erschweren das gemeinsame Arbeiten abseits des Curriculums.

Mit großer Unterstützung des Rektorats wurde die Idee von einer Plattform, die ein gemeinsames, selbstorganisiertes Arbeiten ermöglicht, zum Folkwang LAB.

Im LAB sollte das Bottom-Up-Prinzip gelten. Ein Basisdemokratischer Ansatz, der sowohl der freien Arbeitsweise wie auch dem politischem Anspruch des Titels gerecht wird. Keine Vorgaben über Arbeitsweise oder -struktur, keine Bewertung oder Benotung. Alles sollte von den Teilnehmern selbst entwickelt werden. Gleichzeitig stellte uns das LAB vor die Aufgabe, strukturell und finanziell so zu fördern, dass ein freies Arbeiten im Studium ermöglicht wird.

Ein Jahr lang haben nun neun Gruppen aus mehr als insgesamt 60 Studierenden miteinander gearbeitet. Nicht nur Folkwang Studierende sondern auch Studierende anderer Kunsthochschulen sowie externe Künstler forschten gemeinsam. Die Erfahrung aus dieser Arbeit, zeigt die Veranstaltung „+/- 960 Minuten“.

Das neue Folkwang Theaterzentrum bietet uns ein passendes Zuhause. Hat sich zur Eröffnung am 8.-11. Mai das Theaterzentrum in seiner ganzen hochkulturellen Pracht zeigen können, möchten wir Studierende am 24./25. Mai den neuen Standort für zwei Tage besetzen, um unperfekt und unfertig einen Einblick zu bieten in das, was diese Gruppe von jungen Künstlern bewegt.

Es ist ein Feldversuch: Was passiert, wenn man Studierende ein Jahr lang interdisziplinär zu einem selbst gewählten politischen Thema frei arbeiten lässt?

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Was ist Freies Arbeiten?

Was ist interdisziplinäres Arbeiten?

Was ist politisches Arbeiten?

Mein Wunsch ist es, dass eine Evaluation dieser Arbeit dazu führt, dass in allen Bereichen darüber nachgedacht wird, wie praktische interdisziplinäre Arbeit auch in der Struktur der Hochschule besser verankert werden kann. Eigenständigem Arbeiten dürfen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden und um diese zu beseitigen, leistet Vera Timmerberg als LAB-Beauftrage der Hochschule große Arbeit damit auch in Zukunft studentische Eigeninitiativen stattfinden können.

Die Frage, was ermöglicht denn eigentlich Freies Arbeiten ist aus der einjährigen Erfahrung der LAB-Teilnehmer schnell beantwortet: Freies Arbeiten, dass bedeute, die Zeit und den Raum zur Verfügung zu haben.

Den Willen, die Kreativität und das Handwerk, selbstständig zu arbeiten, bringen alle Studierende aus ihrem Studium mit und im LAB konnten sie nun Erfahrung sammeln, was es bedeutet, eine Idee über ein Jahr zu entwickeln und die Arbeit bis zur Präsentation selbst zu strukturieren.

In dieser Selbstorganisation haben die unterschiedlichen Gruppen auch ihren eigenen Zugang zur Interdisziplinarität gesucht und gefunden. Nicht nur die Kompetenz in der eigenen Kunstdisziplin spielt dabei eine Rolle, sondern auch die Persönlichkeit des Künstlers. Für den Erfolg der interdisziplinären Arbeit ist die Offenheit aller Beteiligten, das gegenseitige Interesse, die Neugier an den Auffassungen des Anderen und die Streitbereitschaft der eigenen Meinungen entscheidend. Das Hervorwagen aus persönlichen Schützengräben ermöglicht die Freisetzung neuer Gedankenwelten und Ausdrucksmöglichkeiten.

Ein Schwerpunkt der Arbeit, der mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist das Arbeiten im politischen, gesellschaftlichen Zusammenhang. Die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen und gesellschaftsrelevanten Themen fällt im Studium oft unter den Tisch. Ich glaube aber daran, dass alle Künste direkt mit ihrem kulturellen Umfeld verbunden sind und so auch jede Künstlerin und jeder Künstler einen Standpunkt außerhalb der Kunst wählen muss.

Wir sehen in „+/- 960 Minuten“ keine laute Agitprop-Kunst. Keine Friedensbewegung. Kein Aufklärungsruf. Das kann wundern, wäre es doch augenscheinlich leicht in unseren Zeiten ein Thema zu wählen und es künstlerisch zu verarbeiten. Wer aber genau hinsieht, der findet sehr wohl hochaktuelle Themen und findet vor allem junge Künstler, die Fragen stellen.

Sie setzen sich in ein Weltbild, das zwar konsequent egozentrisch ist, das es jedoch ermöglicht, aus dem eigenen persönlichen Standpunkt, die Kräfte der Welt zu hinterfragt. Gefühle spielen eine wichtige Rolle. Meinungen. Ahnungen. Überforderungen.

Während der Diskussionen, die wir in der großen LAB-Gruppe führten, kam die Idee auf, dass die ständige Beschäftigung mit sich selbst vielleicht nicht ein Rückschritt an politischem Bewusstsein ist, sondern ein logischer Fortschritt; eine Modulation der Neuzeit. Denn die Beschäftigung mit der eigenen Rolle in der Welt, den eigenen Empfindungen, den Ängsten ist die Grundlage, auf der eine Beschäftigung mit der Umwelt und deren Probleme erst möglich wird.

Besonderem Dank in diesem LAB gebühren Frau Vera Timmerberg, Prof. Marion Digel und Prof. Hans-Dietrich Schmidt, die dem AStA als Koordinatoren begleitend zur Seite standen, sowie Caner Köseuglo, Azin Zahedi und Franziska Böhnlein für ihren Einsatz.

Roman Pertl (AStA der Folkwang Universität der Künste)

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